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09.11.2020, TAZ, Brigitte Werneburg: Der Kunstfonds Bonn vergab das „Stipendium für bildende Künstler*innen mit Kindern unter 7 Jahren“ an mehr Männer als Frauen. Vor allem die in den letzten Jahren entstandenen Initiativen „kunst + kind“ in Berlin und K & K in München sowie „Mehr Mütter für die Kunst“ in Hamburg sahen sich in ihrem Anliegen bestärkt, dass die besonderen strukturellen Probleme von Künstlerinnen mit Sorgeverpflichtung in der Kunstförderung berücksichtigt werden müssen. Sie waren zufrieden, bis sie die dezidiert misogyne Jury-Entscheidung zur Kenntnis nehmen mussten – hatten die Bewerbungen von Frauen für das Stipendium doch 60 Prozent betragen, die dann disproportional mit nur 45 Prozent positiven Bescheiden beantwortet wurden. ... Die Förderung ging also mehrheitlich an die Männer unter den Künstler*innen, an eine ohnehin geförderte Elite. In Einzelfällen war das Stipendium sogar bereits die zweite Förderung. Die daran von den Initiativen und weiteren Künstler*innen-Organisationen am 6. Oktober in einem offenen Brief geäußerte scharfe Kritik beantwortete die Geschäftsführerin des Kunstfonds, Karin Lingl, am 3. November mit der Formel: „Dürfen wir in diesem Zusammenhang an einige Grundsätze der Stiftung Kunstfonds erinnern.“ Der erste Grundsatz lautet, man mag es gar nicht glauben: „Gefördert werden einzelne Künstler*innen ebenso wie Modellvorhaben mit gesamtstaatlicher Bedeutung.“ Hallo?! Im Ernst? Wie es dann mit dem nächsten Grundsatz ausschaut, dass die vom Stiftungsrat gewählten Jurys „über eine Förderung ausschließlich anhand der künstlerischen Qualität“ entscheiden, bleibt unerfindlich. Oder ist künstlerische Qualität neuerdings wirklich durch das Kriterium „gesamtstaatliche Bedeutung“ definiert? Gar nicht zu sprechen davon, dass die geforderte Qualität offenbar wieder einmal nur von Männern geleistet wird. Die Frauen, die qualitativ nicht mithalten können, werden dann daran erinnert, dass es sich bei den Förderungen der Stiftung Kunstfonds „weder um Sozialleistungen noch Wirtschaftsbeihilfen“ handelt. Offenbar ist auch „mit Kind unter 7 Jahren“ ein künstlerisches Qualitätskriterium und nicht, wie zu erwarten, ein sozialer Tatbestand. Aus letzterer Bemerkung muss jedenfalls der Schluss gezogen werden, dass die Stiftung Kunstfonds definitiv nicht die richtige Adresse ist, die Kunstszene mit den Geldern aus dem Rettungsprogramm Neustart Kultur von Monika Grütters zu versorgen. Natürlich geht es hier um Wirtschaftsbeihilfen. Bestimmt nicht um noch mehr kuratierte Stipendienprogramme von gesamtstaatlicher Bedeutung. Statt ihre berufliche Existenz zu sichern, schickt man die Künstler*innen in Hartz IV. Was den schönen Effekt hat, dass von der Milliarde der Staatsministerin bislang gerade mal 47 Millionen Euro abgerufen wurden, wie aus einem Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestags hervorgeht. Die Künstler*innen sind aber nicht arbeitslos, sie sind erwerbstätig und bedürfen keiner Leistungen der Sozialfürsorge. ...

Anhörung der Verbände der Künstler*innen und Kulturschaffenden zu den aktuellen pandemiebedingten Entwicklungen in der Berliner Kulturlandschaft. Für die Bildende Kunst sprach Zoë Claire Miller, eine unserer Sprecherinnen. Ihr Statement ist nachzuhören ab 54:39 bis 1:01:30. Die Beantwortung der Rückfragen ab 2:10:00 bis 2:13:02 mit einem klaren Abschlussstatement gerichtet an Herrn Neuendorf von der AFD: "Es ist so, dass ich die AFD als rassistische, frauenfeindliche und homophobe Partei sehe, und ich beantworte ihre Fragen sehr gerne nach Ihrem Parteiaustritt."

56. Sitzung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten 9.11.2020

Der zweite Shutdown binnen eines Jahres trifft Kunst und Kultur neben vielen anderen Berufszweigen mit voller Härte. Bereits die Auswirkungen des ersten Shutdowns und der fortbestehenden Einschränkungen durch Hygiene- und Abstandsregeln waren verheerend für Kunst und Kultur. Gerade Akteur*innen der Freien Szenen sind in ihrer Existenz bedroht und stehen beruflich vor dem Aus. In den letzten Tagen gab es zahlreiche Aufrufe und Appelle von Verbänden, Aktionsbündnissen und Künstler*innen, die die Verhältnismäßigkeit und vor allem Einseitigkeit der Maßnahmen kritisiert haben, zumal insbesondere in Kunst und Kultur effektive Hygienekonzepte entwickelt und umgesetzt wurden. Vieles ist von der Politik in den letzten Monaten versäumt worden: fehlende Vorausschau, ein bundesweit einheitlicher Stufenplan, Auswertungen dahingehend, welche Infektionsrisiken von welchen Branchen ausgehen oder auch konkrete Schutzkonzepte für Schulen. Stattdessen viel Aktionismus und ein unübersichtlicher Flickenteppich an gut gemeinten, aber nicht immer durchdachten Hilfs-, Förder- und Stipendienprogrammen auf Landes- und Bundesebene. ...

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12.11.2020 | Offener Brief der Künstler*innen: Marvin Systermans, Raisa Galofre, Flo Maak, Nadin Reschke, Sophie-Theres Trenka-Dalton, Sara-Lena Maierhofer, Zuzanna Czebatul, Dennis Scholl, Chelsea Leventhal | Sehr geehrte Damen und Herren, am 27. Oktober wurden die Ergebnisse zweier Sonderstipendien-Programme für bildende Künstler*innen in Deutschland, bzw. Berlin bekannt gegeben, die mit dem Ziel aufgestellt worden waren, Künstler*innen während der Pandemie finanziell zu unterstützen. Das mit 9.000 Euro dotierte Neustart-Stipendium des Kunstfonds, auf das sich bundesweit 4.776 Künstler*innen beworben haben, wurde an 581 von einer Jury ausgewählte Personen vergeben. Die Institution schien überwältigt von so vielen Bewerbungen, das Ergebnis kam Wochen später als geplant. Das von Kultur-Projekte Berlin ausgeschriebene Sonderstipendium – ebenfalls mit 9.000 Euro dotiert – wurde per Losverfahren an immerhin 1.995 Kunstschaffende in Berlin vergeben. Bei 8.075 eingegangenen Bewerbungen eine stattliche Zahl. Das Losverfahren klang zunächst fair, da jede*r eine Chance bekam zufällig ausgewählt zu werden, auch Newcomer*innen mit etwas Glück. Beim Kunstfonds hingegen, ganz in der Tradition großer Stipendien, ließ sich beobachten, dass viele der Rezipient*innen bereits in der Kunstwelt etabliert sind, also große Ausstellungen, Förderungen und Preise vorweisen können. Dagegen spricht erst einmal nichts. ...

Lt. "Spiegel" vom 4. Nov 2020 sperrt sich die SPD gegen Überlegungen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), bei der Neufassung der Überbrückungshilfen auch einen Unternehmerlohn für Soloselbständige einzuführen. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Carsten Schneider will kein "doppeltes System aufbauen". Stattdessen werde im Sozialausschuss des Bundestages derzeit eine Verlängerung des vereinfachten Hartz-IV-Zugangs für Selbstständige bis Ende März 2021 beraten. Dabei könne er sich weitere Vereinfachungen vorstellen, etwa den Wegfall der Anrechnung der Einkünfte von Lebenspartnern bei der Berechnung möglicher Hilfen. Dazu der bbk berlin: Nein, Herr Schneider, nein, Damen und Herren Sozialdemokraten, es geht nicht um weitere Verschlimmbesserungen des schon berüchtigten "vereinfachten Zugangs" zum Arbeitslosengeld II. Künstler*innen wie auch andere Soloselbständige, deren berufliche Existenz durch die Corona-Folgen bedroht ist, sind nicht arbeitslos. Sie sind erwerbstätig. Sie bedürfen auch keiner Leistungen der Sozialfürsorge. Sie sind auch keine sozialen Härtefälle. ...

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Wir sind viele. Und dies ist ein offener Brief. zur Petition: https://www.change.org/p/staatsministerin-monika-grütters-neustart-2-0 Zunächst sollten wir begreifen, dass die Kultur als einer der wichtigsten Orte unserer vielfältigen Gesellschaft fungiert, sie erschafft Welten, arbeitet unabhängig und kritisch, und vermittelt Werte. Kunst und Kulturstätten sind wichtige Foren der Begegnung und des gesellschaftlichen Austausches, Orte an denen man sich vergegenwärtigen kann, dass wir eine Gesellschaft bilden und zusammen einen lebhaften Diskurs führen können. Der zweite Lockdown ist eine Bedrohung für die Diversität der Kunst und Kultur. Ohne all das entwickelt sich die Gemeinschaft zurück zum „Individuum“, ein passiver Zustand der das Mitgestalten des Zeitgeistes und des Jetzt außen vor lässt. Ohne diese Orte, ohne die Kunst und Kultur, ohne den Austausch, gibt es nur noch ein vages Erinnern an eine kulturelle Echtheit. Kurz: keine Kulturstätten = keine gesellschaftliche Reflektion Die Krise zeigt deutlich, dass der Stellenwert der Kunst und kulturschaffenden Menschen durch die Politik bloß geringgeschätzt und geschützt wird. IKEA muss unbedingt geöffnet bleiben, das Theater lieber nicht. Ohne Einkaufszentren ist das Leben nicht lebenswert, Museen könnten dafür ja schließen. Subsumiert: Kultur ist Freizeitaktivität!

Tagesspiegel, 03.11.2020, Gunda Bartels, Frederik Hanssen, Birgit Rieger, Christian Schröder, Christiane Peitz: Die Soforthilfen des Berliner Senats genauso wie die Überbrückungshilfen aus Monika Grütters' Sommer-Milliardenprogramm „Neustart Kultur“? Eine Umfrage in den Sparten ergibt: Es herrscht eine Mischung aus Dankbarkeit, Frust und Ungewissheit – und teilweise eben doch viel Bürokratie. ... Bildende Kunst: ... Nachdem Berlin die 5000-Euro-Soforthilfe für Soloselbstständige im April zügig auszahlte, herrschte in der Künstlerschaft zunächst „ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Zuversicht“. So formuliert es die Installationskünstlerin Susanne Kutter, die auch Vorstandsmitglied im Berufsverband Bildender Künstler*innen Berlin e.V. ist. Viele hätten endlich Anerkennung gespürt. „Aber das ist lange her und das Geld ist weg“, sagt Kutter. Hinzu kommt die Verärgerung wegen der schlecht koordinierten Stipendienprogramme. Anfang der Woche kritisierte der bbk berlin das 18 Millionen Euro schwere Einzel-Stipendienprogramm der Berliner Kulturverwaltung. Statt die Bedürftigkeit zu prüfen, entschied das Los über 2000 Gewinner. Etwa zeitgleich hatte auch der Bund ein Sonderprogramm für Künstler aufgelegt. Die 581 von einer Jury aus 4752 Bewerbern ausgewählten Gewinner erhalten je 9000 Euro. Wobei die in beiden Programmen beglückten Stipendiaten sich nun für eines entscheiden müssen. Dass insgesamt nur ein kleiner Teil der Künstler zum Zuge kommt, schürt Unmut, so Kutter. ...

Das Land Berlin hat im Zeichen der Corona-Pandemie das größte Einzel-Stipendienprogramm für alle Kunstsparten aufgelegt, das es in der Berliner Kulturpolitik je gegeben hat: 18 Millionen Euro für knapp 2.000 Stipendien. Das ist zunächst eine große politische Leistung. Nun ist das Ergebnis des Losverfahrens öffentlich und zeigt: Die konzeptionellen und organisatorischen Defizite dieses Programms stellen seine Wirksamkeit in erheblichem Umfang infrage. Denn das Losverfahren schüttet Geld unterschiedslos aus. Ob eine wirtschaftliche Notsituation vorliegt, die die berufliche Existenz als Künstler*in infrage stellt oder nicht, spielt bei dieser Stipendienvergabe keine Rolle. Vergeblich hatten der bbk berlin und auch die Koalition der Freien Szene auf Teilnahmebedingungen und Auswahlverfahren gedrungen, die eine Konzentration der Mittel auf den dringendsten Bedarf gewährleistet hätten, siehe unsere Pressemitteilung vom 28. August 2020. So finden sich tausende Künstler*innen auf der Verliererseite, die das Stipendium zum Überleben dringend gebraucht hätten. Ein Stipendienprogramm ohne Konzentration auf den dringendsten Bedarf ist von Politik und Verwaltung falsch konzipiert. ...

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Berlin, 29.10.2020 | Presseinformation zu den am 28.10.2020 vereinbarten Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern: Die für November 2020 angekündigten Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung des Corona-Virus bedeuten existentielle Einschnitte für die Freien Künste. Das zwischen Bund und Ländern vereinbarte Veranstaltungsverbot entzieht Kunst- und Kulturschaffenden erneut die Existenzgrundlage. Insbesondere soloselbstständige Kunst- und Kulturschaffende sowie kleine und mittlere Unternehmen in den Sparten Musik und Darstellende Künste werden von den Ein­schränkungen hart getroffen. Dies gilt auch für alle anderen Kunstsparten, deren Existenzgrundlage öffentliche Veranstaltungen sind. Die Akteur*innen der Freien Künste – die vom Beginn der Pandemie bis heute extrem unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu leiden hatten – haben die Einschränkungen gleichwohl mit enormen Kraftanstrengungen und massiven Einbußen solidarisch mitgetragen. Dennoch blieb Soloselbstständigen und Unternehmen ohne relevante Betriebskosten der Zugang zur Soforthilfe des Bundes bislang verwehrt. Wenn ihnen jetzt erneut die Existenzgrundlage entzogen wird, muss endlich ein fiktiver Unternehmer*innenlohn für Soloselbstständige anrechenbar sein – so wie es die Fachminister*innen der Länder, der Kulturausschuss des Bundesrates, der Deutsche Kulturrat als Spitzenverband der Kulturverbände, die Allianz der Freien Künste, eine überwältigende Zahl von Fachverbänden und nicht zuletzt auch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien unisono fordern. ...

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Auszug: "Das seit 2014 stillgelegte Kongresszentrum ICC sollte zum Teil für Künstlerinnen und Künstler geöffnet werden. Das sagte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linken, Katalin Gennburg, dem rbb. Sie kritisierte dabei auch den bisherigen Umgang mit dem Baudenkmal als "absolut nicht in Ordnung": Es sei nicht nachvollziehbar, dass das ICC bis 2017 noch für Flüchtlinge genutzt wurde, seitdem aber "vergammelt", so Gennburg. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." ... Mit Blick auf den fehlenden Raum für Kunstschaffende in Berlin sei die Teilöffnung des riesigen Gebäudes an der Messe auch eine Möglichkeit, den Kreativen der Stadt während der Pandemie zu helfen. Gennburg hat dabei nicht nur die weiten Flure und Säle des ICC im Blick, sondern auch die große Bühne in Saal 1. Eine ähnliche Forderung hatte zuvor bereits der berufsverband bildender künstler*innen berlin aufgestellt. ... Unterstützung für ihren Vorschlag bekommt Gennburg von Berlins Atelierbeauftragten Martin Schwegmann. Die Stadt habe bis zu 10.000 bildende Künstler, aber nur 1.000 geförderte Ateiliers und Atelierwohnungen. Er kritisierte, dass ihm der zugang zum ICC für eine Prüfung der Örtlichkeiten bisher verweigert worden sei. Er forderte auf Nachfrage des rbb, das ICC "kurz- und mittelfristig für eine Kunst und Kulturnutzung teilzuöffenen". Als Vorbild verwies Schwegmann auf das einst von Abriss bedrohte Haus der Statistik, das derzeit im Rahmen eines Pionierprojektes mit Kunst- und Kulturnutzung erschlossen wird. ..."