27.06.2024 | Wer hat versagt?

Kommentar

Der bbk berlin kommentiert das am 21.06.2024 veröffentlichte Editorial zum 25. Wochenreport von Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, mit dem Titel „Rechtsextreme Wahlgewinner, wer hat versagt?“:

 

Wer hat versagt?

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, diffamiert in diesem irritierenden Text pauschal „junge Kulturschaffende“ als „Leugner einer Klassengesellschaft“, insinuiert, die „Angst vor Fremden“ hätte in Wirklichkeit nichts mit Rassismus zu tun, und teilt empört gegen englischsprachige Veranstaltungen aus.

Der Text, der einer Art Schuldzuweisungsmanifest gegen die Kultur in Gänze nahekommt, gipfelt im Schlussstatement: „Die Entpolitisierung des Kulturbereiches hat es den Rechtsextremen auch leicht gemacht, immer stärker zu werden.“ Belege für alle diese Behauptungen versagt der Autor der interessierten Leserschaft.

Zimmermann muss sich fragen lassen, wie und mit wem er den Rechtsradikalismus bekämpfen will, wenn er dessen Sprache spricht: „Kulturorte [als) Tempel für Hochgebildete“, die Kulturschaffenden mit der „Arroganz der Gebildeten gegenüber der Breite der Gesellschaft“, Kulturbereiche in den „Nischen der Selbstbeschäftigung“. Mehr abwertenden Duktus kann die AfD nicht mal selbst in ihrem Affekt gegen die Kultur ausdrücken: Elite gegen Volk.

„Offensichtlich haben wir zu wenig oder das Falsche“ getan, doch „wir“ können immer noch „gegensteuern“, konstatiert Herr Zimmermann. Die Frage stellt sich: Wen meint er mit dem „Wir“?

In der Süddeutschen Zeitung geht Jörg Häntzschel im Artikel „Deutscher Kulturrat: Dauersender ohne Botschaft“ [Bezahlschranke] dieser Frage nach und thematisiert die problematische Struktur des Kulturrats: „..eine Art Doppelagentur: Nach außen repräsentiert er die Kultur, für die Politik ist er Dienstleister und Zuwendungsempfänger,...“.

Der bbk berlin, selbst kein Mitgliedsverband, bittet die 259 Mitgliedsverbände des Kulturrats dringlich und herzlich darum, einen kritischen Blick auf die Arbeit des Kulturrats zu werfen. Wer trägt die redaktionelle Verantwortung für solche Texte? Wem sollen sie dienen? Klar ist, der Kultur und der Kunst schaden sie.

Dagegen bleibt der Einsatz für die aktuell äußerst bedrohte Kunstfreiheit aus, trotz der Selbstdarstellung des Kulturrats: "Ziel des Deutschen Kulturrates ist es, kulturpolitische Diskussion auf allen politischen Ebenen anzuregen und für Kunst-, Publikations- und Informationsfreiheit einzutreten."

Immerhin wurde mit dem Text „Rechtsextreme Wahlgewinner, wer hat versagt?“ tatsächlich ein Beitrag zum ersteren Ziel geleistet: die kulturpolitische Diskussion über diesen wirren Text und damit über Funktion und Sinn des Deutschen Kulturrats.

 

Frauke Boggasch und Zoë Claire Miller,
Sprecherinnen bbk berlin

 

Linkliste:

Olaf Zimmermann: 25. KW: Rechtsextreme Wahlgewinner, wer hat versagt?
https://www.kulturrat.de/presse/kulturpolitischer-wochenreport/25-kw-2024/

Süddeutsche Zeitung, Jörg Häntzschel: „Deutscher Kulturrat: Dauersender ohne Botschaft“
https://www.sueddeutsche.de/kultur/olaf-zimmermann-deutscher-kulturrat-kulturpolitik-analyse-lux.UyjdTkpoouaNWaTvnGzhtj /Bezahlschranke

Deutsche Kulturrat: Über uns
https://www.kulturrat.de/ueber-uns/